Ab morgen prĂ€sentiert sich nun bereits zum fĂŒnften Mal das Augsburger Medienkunst-Festival âlab.30âł. Wieder wird es drei Tage elektronische Musik, KlĂ€nge und Experimente erleben. Und ganz en passant kann der Besucher auch einen Ausschnitt aus interessanten elektronischen Kunstprojekten in einer Ausstellung sehen, die die Grenzen zwischen Kunst und Technik, Skultpur und Klang infrage stellen werden.
âTechnik spielt eine immer gröĂere Rolle in unserem Leben. Und beeinflusst ganz selbstverstĂ€ndlich auch die Ausdrucksart der Kunst. Der spielerische Umgang ist der Reiz unseres Festivalsâ, so Elke Seidel, Mitarbeiterin des Augsburger KulturbĂŒros. Das Kuratorenteam, bestehend aus ihr, Professor Robert Rose vom Fachbereich Multimedia der Fachhochschule Augsburg und Peter Bommas, GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Jungen Theaters Augsburg, freut sich ĂŒber die wachsende Bedeutung des Festivals: âIm Gegensatz zu den letzten Jahren haben wir diesmal weniger nach Exponaten suchen mĂŒssen, sondern schon viele Bewerbungen bekommen!â
Mittlerweile kann man zu Recht behaupten, lab.30 sei das âkleine Ars- Electronica-Festival am Lechâ. Die Ars findet seit 1979 jĂ€hrlich in Linz statt â legt aber neben Ausstellungen und Musik den Schwerpunkt auf eine Konferenz. Sie lockt Leute aus der ganzen Welt nach Oberösterreich. Mittlerweile kommen auch zu lab.30 nach Augsburg die KĂŒnstler aus der ganzen Welt. Aber im Mittelpunkt stehen in Augsburg der Klang, die Musik, das GerĂ€usch. Musiker heiĂen hier KlangkĂŒnstler, Computerfreaks, Installateure, Soundbastler oder Videomonster â und ihre Werke lassen sich beschreiben als Hörkino, Soundmauern, digitale Erlebnisparks und analoge HammerschlĂ€ge. Drei intensive NĂ€chte voller Clicks, Cuts, galaktischer Melodien und groĂstĂ€dtischer LĂ€rmkaskaden liegen vor uns!
Roboter-Konzert und HörstĂŒck, soziale GerĂ€usche und Netlabels
Das ganze Programm komplett wiederzugeben macht hier schon alleine aus PlatzgrĂŒnden keinen Sinn â so dicht gedrĂ€ngt ist auch heuer wieder das Programm. Im Folgenden aber die Highlights: Auf der ArenabĂŒhne ist Sebastian Giussani mit der Mithilfe von Deniz Khan mit seiner Improvisationsperformance âMidi Model Manipulationâ zu sehen, die die medial auf Hochglanz polierte Welt der gecasteten Popstar-Models der kleinen, isolierten Welt der Computermusiker-Nerds gegenĂŒberstellt. Pierre Bastien prĂ€sentiert sein âRoboter-Konzertâ, bei dem der Konstrukteur zum Dirigenten wird. Anstelle eines Schraubenziehers hĂ€lt er eine Trompete und seine metallischen Apparaturen sind seine Begleitmusiker. Deren Muskeln bestehen aus Gummiringen, ihre Herzen sind die recycleten Elektromotoren alter Kassettenrecorder. Samstagnacht zeigen bei der âSoulSeek NightâfĂŒnf internationale Websound-Acts â unter anderem Saskia aus Spanien und Deaf Center aus Norwegen â den aktuellen Stand der elektronischen Soundmoderne.
Im CafĂ© und auf der kleinen BĂŒhne im NordflĂŒgel finden bis spĂ€t nachts Konzerte und Performances statt, die HörBar sorgt unter dem Titel âSoziale GerĂ€uscheâ fĂŒr akustische AusflĂŒge ins Grenzland des Hörens, Laptop-DJs aus ganz Europa bringen die popklub-BĂŒhne im NordflĂŒgel des Kulturhauses abraxas zum Grooven und am Samstag beschlieĂt die GerĂ€uscheshow des Laptobler Quartetts mit Sonic Writing die Audio-Abenteuer.
Sehen = Hören
Wieder kann man das lab.30 als Echtzeit-Labor, als Schnittstelle zwischen elektronischen KlangentwĂŒrfen und visuellen Fiktionen bezeichnen. Die Ausstellung in der groĂen Halle mit Multimediaprojekten und Videoinstallationen ist jeweils ab 20.00 Uhr geöffnet â und auch hier ist die Grenze zwischen Skulptur und Sound nicht ganz einfach zu ziehen.
Jens Brand aus Köln behauptet frech in seiner âG-Podâ-Klangskulptur: âDie Erde ist eine Scheibe!â Wie er das meint? Sein Music-Player funktioniert wie ein Schallplattenspieler, bei dem die Nadel auf der Rille der Schallplatte lĂ€uft â nur dass seine Nadel diverse Satelliten sind, die die ErdoberflĂ€che abtasten! Anders als bei einer Schallplatte brauchen aber einige von den Erdtrabanten zur Erdumrundung zwei Stunden, manche dagegen mehrere Wochen und wieder andere sind stationĂ€re Satelliten.
Der Augsburger Gerhard Fauser prĂ€sentiert sein neuestes digitales Skizzenbuch, in dem er Bilder, Skizzen und handschriftliche Aufzeichnungen aus den Jahren 1992 bis 1996 animiert und mit Sound versehen hat. Entstanden ist die vierte interaktive CD-Rom des KĂŒnstlers, durch die sich der Betrachter per Mausklick und Tastatur auf Entdeckungsreise begeben kann.
Insgesamt werden fĂŒnfzehn audiovisuelle Objekte zu sehen sein, unter anderem âPink Extasyâ, eine audiovisuelle Folterkammer von Karin Zierer (Augsburg), âĂ fleur de peauâ, eine audiotaktile Installation von Lynn Pook (Berlin/Paris), und der âBrickquencerâ, ein Musikautomat, den man sich wie Komponieren mit Legosteinen vorstellen muss, von Florian Egermann (Köln).
Mehr Infos unter www.lab30.de
Kurzer Tip: lap.stop In der Orangerie, dem Veranstaltungsraum der FH-Gestalter am Unteren Graben/Ecke HenisiusstraĂe findet vom 2.â4.11. ab 19 Uhr der »lab.stop« als Vorhut des Kunstlabors statt. Neben Installationen von Studenten der FH erwartet den Besucher dort die Band »My Imaginary Friend«, die den kleinen Raum akustisch beheizen wird. Und die Buslinie 35 fĂ€hrt alle 15 Minuten von der Orangerie direkt zum Kulturhaus abraxas.
Dieser Artikel erschien zuerst im a-Guide in der Oktober-Ausgabe.
Siehe auch meine anderen Artikel zu Àhnlichen Themen:
- Computerspiele als eine eigene Kunstgattung (12.12.2005)
- lab.30 â Augsburgs kleine Ars Electronica (11.6.2005)
- Ars Electronica: âThe medium ist the messageâ – oder etwa doch nicht? (4.9.2005)
- Ars Electronica 2005: Hybrid – Living in Paradox (2.9.2005)
- Ars Electronica 2002: Unplugged (1.9.2002)
- NEXT SEX – Sex im Zeitalter seiner reproduktionstechnischen ĂberflĂŒssigkeit – Ars Electronica 2000 (1.9.2000)
- Kunst im Zeichen der Doppelhelix – 20 Jahre Ars Electronica mit dem Schwerpunkt LifeScience (1.10.1999)
- Where do you want to fight today? Die Ars Electronica 1998 in Linz (1.10.1998)
[…] Wie schon berichtet startete gestern das lab.30, ein Medienfestival im Kunsthaus “abraxas” im Westen Augsburgs. Das kleine Festival mausert sich und die Ausstellung wĂ€chst und wird bedeutender – das war gestern ganz deutlich spĂŒrbar. Leider war trotz herbstlichem (oder eventuell frĂŒhwinterlichem) KĂ€lteeinbruch das Publikum nicht ganz so zahlreich erschienen, wie in den letzten Jahren. Bestimmt wird sich das aber ĂŒbers heute und morgen noch Ă€ndern. […]