Ein wahrlich fetter Spoken Word-Abend im Capitol gab es gestern abend als einer der ersten Veranstaltungen des Augsburger abc Festivals zu erleben. Das Line-Up das die beiden MĂŒncher SLam Master Ko Bylanzky und Rayl Patzak aufgestellt hatten, war beeindruckend: Ainsley Burrows (New York), Torch (Heidelberg), David P. (MĂŒnchen), FIVA (MĂŒnchen), Henry Bowers (Uppsala), Kutti MC (Bern). Sie alle waren unter dem Titel âBRECHT âNâ RHYMESâ abgetreten, zu zeigen, das Spoken Word und Rap sehr wohl auch was mit Bertolt Brecht zu tun haben kann.
Den Start machte Henry Bowers, ein Spoken Word Poet und Rapper aus Uppsala/Schweden, der bereits Schwedens âNational Poetry Slam Championâ 2004 war und im Folgejahr sogar ins Rotterdamer Finale der der Poetry Slam Weltmeisterschaften kam. âRappinâ for Foodâ so lautet seine aktuelle CD und auch sein Rap-Song, den er auf der BĂŒhne performte, wĂ€hrend er seine Dreadlocks und seinen ewig langen Bart herumwirbelte. Ihm folgte der Schweizer Kutti MC der unter seinem bĂŒrgerlichen Namen JĂŒrg Halter auch einigen als Dichter bekannt sein dĂŒrfte (zuletzt: âIch habe die Welt berĂŒhrtâ, Ammann). Kutti MC rappt auf SchwyzerdĂŒtsch – da klingt jeder Konsonant wie ein Beatbox, so begleitet er sich gleichsam selber. Spitze. Only by the way: 2003 gewann Kutti MC in Chicago gegen den berĂŒhmten US Rapper Sage Francis den Titel des American National Hip Hop Slam Champions. Poetisch fing er gestern aber erst einmal ganz leise und still an mit dem lyrischen Versuch, die Sprache dressurzureiten – âbitte, ich versuche zu sprechen!â. Schön, wirklich schön.
Der USamerikaner Ainsley Burrows, der als Kind mit seinen Eltern von Jamaika nach New York auswanderte, gilt heute als einer der angesehensten Spoken Word Poeten der OstkĂŒste und verkörpert, wie kaum ein anderer, die junge Generation des âNuyorican Poets Cafeâ. Er war Mitglied mehrerer legendĂ€rer New Yorker National Slam Teams und performte seine Gedichte auf MTV und anderen TV Sendern. Geschickt spielte er mit dem Publikum (âMy Babyâ) und schockte mit einem kurzen Gedicht das Publikum, es heiĂt âWARâ: âThere is a McDonalds in Baghdadâ.
Rappinâ for Brecht is like fuckinâ for virginity
Der letzte Part des Abends stand dann ausschlieĂlich unter dem Zeichen des Rap. David P., wohl der bekannteste deutsche Freestyler und seit 1990 Mastermind der MĂŒnchner Hip Hop Formation âMain Conceptâ. Er rockte das Publikum, das sich bis dahin noch ruhig am Boden niedergelassen hatte. Ihm folgte FIVA, die in Augsburg durch ihr Engagement als Rap-Poetry-Lehrerin wĂ€hrend der SchĂŒler-Workshops bereits viele AnhĂ€nger gefunden hat. Ihr höchstironischer Text âIch bin Dein MĂ€dchen fĂŒr allesâ knallte dem Publikum seine Macho-Haltung entgegen. Erste Sahne! Getoppt werden konnte das alles nur noch durch Torch aka Frederik Hahn, dem wohl ersten Rapper der deutschen Geschichte ĂŒberhaupt (âAdvanced Chemistryâ). Jetzt kochte das Capitol in lauten Hip-Hop-Beats und tanzenden Fans.
Brecht und Hip Hop? Geht das zusammen?
Nein, zumindest kann man das nach diesem Abend schwer erfassen, denn es wurde nicht versucht. Torch referenzierte zwar indirekt mit einer gescratchten Hommage eines Biermann-Textes zu Brecht. Henry Bowers hatte fleiĂig am Tag des Auftritts nochmal gegoogelt, wer denn dieser Brecht war. Die anderen hatten das gleich mal unterlassen – sei es denn, dass es brechtisch ist, anti-imperialistisch gegen den Krieg im Irak zu sein. Das war ein Abendevent, der bei vielen Festivals heute zu finden ist – volle Bude, viele junge Menschen. Das verjĂŒngt und verhĂŒbscht die Gesamtstatistik des Festivals. Das ist weder in Berlin noch in Augsburg anders.
Ist es aber deswegen ein schlechter Abend gewesen, weil kein Brecht zu sehen/hören war? Weil man sich nicht in schwere Lederjacken warf und Zigarren rauchte und die Pose gab? Um Gottes Willen – nein, wir hatten unseren SpaĂ. Dankeschön.
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