Kultursponsoringgipfel 2008: Kultur lockt Kunden

KultursponsoringgipfelKultur und Wirtschaft werden traditionell gerne als Gegenpole verstanden. Tatsächlich müssen sich Unternehmen und Kulturinstitutionen sehr ähnlichen Aufgaben und Herausforderungen stellen. „Kultur-Kunden“ sind Besucher, Sammler oder Kritiker. Bei Wirtschaftsunternehmen sind dies Partner, Käufer oder Medien. Wirtschaftseinheiten und Kulturinstitutionen verfolgen dasselbe Ziel: Kunden binden – an sich und ihr Produkt. Der Kunde steht im Fokus aller Marketing-Anstrengungen. Wieso nicht die Kultur als Instrument nutzen, um Kunden zu binden und damit gleichzeitig Kultur zu ermöglichen? Wo sind die Chancen? Wie gestaltet sich der Nutzen? Gibt es Grenzen? Diese Fragen stellt sich vom 17.-18.4. der Kultursponsoringgipfel, der parallel zur Art Cologne in Köln stattfindet. Die Veranstalter luden mich als Vertreter des Augsburger Kulturnetzwerkes ein, dort am Freitag nachmittag das Netzwerk vorzustellen. Folgend die Ergebnisse des ersten Tages der Konferenz, die heuer bereits zum sechsten Mal stattfindet. Da einige Slots parallel stattfanden, ist natürlich eine komplette Wiedergabe der Konferenz durch eine Person nicht möglich.

Hans-Willy BrockesHans-Willy Brockes eröffnete die Veranstaltung mit einem Grundsatzreferat. Er ist mit Doerthe Ramin von der Agentur kunstkommunikation einer der Veranstalter des Kultursponsoringgipfels. Brockes ist Geschäftsführer der Europäischen Sponsoring Börse ESB. Wer sponsort überhaupt, wieviel wird ausgegeben und was sollten Firmen beachten, die im Kulturbereich für sich werben wollen? Während der Sport unglaubliche Geldersummen erhält, wird Sponsoring im Kulturbereich – was die Geldsummen angeht – ja noch immer eher stiefmütterlich betrieben. Doch das scheint sich zu drehen, wenn auch langsam. Topsponsoren im deutschen Markt sind nach wie vor der Finanzsektor mit einem Anteil von ca. 28,8% der Gesamtsumme an Sponsorengeldern. Ihnen folgt das Produzierende Gewerbe (besonders die Autohersteller) mit 16,7% und Medien mit 12,1%.

Kultursponsoring will heute eben weitaus mehr, als nur ein Logo größtmöglich auf eine Einladungskarte oder über ein Theaterportal zu drucken – oder wie bei Sportlern auf deren Trikots, was bei Opernstars bis jetzt ja nicht versucht wurde und wohl auch nicht durchsetzbar wäre. Kultur entzieht sich gerne einer blanken Kommerzialisierung und reagiert eher abweisend gegen werbliche Holzhammermethoden, wie sie im Sport üblich sind. Kultursponsoring ist aber nicht nur nur selbstloses Mäzenatentum, betreibt man es denn professionell. Neben dem Brand Placement (wie zum Beispiel UBS oder Audi es sehr geschmackvoll betreiben) kann hiermit schließlich auch die gesellschaftliche Verantwortung zum Ausdruck gebracht werden. Letztendlich lassen sich sogar auch firmenintern Effekte erzielen, durch die die eigenen Mitarbeiter motiviert werden.

Dorothee StarkeSo nutzte Frosta die Freikarten für das von ihnen unterstützte Bremerhavener Theater im Fischereihafen ausschließlich für ihre Mitarbeiter, die schnell anfingen, sich mit dem Theater zu identifizieren. Nach ein paar Jahren stieg Frosta aus und swb Netze Bremerhaven stieg ein, wo das Konzept der Mitarbeiter-Aktionen noch ausgebaut werden konnte. Die Theatermacherin Dorothee Starke greift jetzt neu auf ein Instrument zurück, dass sie aus den Vereinigten Staaten mitgebracht hat: Matching Gifts. Das Konzept ist simpel. Spendet ein Mitarbeiter einen Euro, legt das Unternehmen noch einen dazu. Somit wird die komplette Belegschaft des Sponsors in dessen Sponsoringmaßnahmen miteinbezogen – und werren natürlich so auch zum zusätzlich umworbenen Ansprechpartner für das Theater. Nachteil: Verringerte Planungssicherheit und Mehraufwand in der Betreuung. Andererseits konnte so ein neues Potential für Spendengelder erschlossen werden.

Petra van RijnEin gutes Beispiel für einen weiteren firmeninternen Effekt wurde später in einem Vortrag von Petra van Rijn, Manager Social Investment von Shell International, Den Haag vorgestellt. Das Van Gogh-Forschungsprojekt wird von Shell massiv unterstützt. In den firmeneigenen Forschunglabors werden zum Beispiel die vom Künstler verwendeten Farben analysiert und auch dessen Bilder geröntgt. Als „Partner in Science“ ist man bei dem Ölmulti als Mitarbeiter auf diese Kooperation regelrecht stolz. Natürlich sind diese Forschungsergebnisse auch spannend für Shells Grundlagenforschung, da eventuell mit ähnlichen Analysemethoden auch neues Öl gefunden werden könnte.

Und selbstverständlich wirkt das Engagement im Kulturmarkt auch direkt umsatzfördernd. Wenn die sponsornde Firma in die Kulturproduktion wirklich als Partner mit einbezogen wird, stehen ihm genauso wie z.B. beim Fußball Hospitality Suites, in dem Fall aber eher „Art Lounges“, oben schon genannte Sonderveranstaltungen oder andere Möglichkeiten offen, in denen er seine Kunden einmal ganz anders treffen kann. Unternehmen, die Kultur sponsern, wollen Imagewerbung machen – und weniger Produktwerbung. Da Kunden heute schon über zuviele Kanäle mit Informationen zugebombt werden, ist eine reduzierte Darstellung der Firma über ein Image weitaus emotional bindender und wirkt daher unmittelbarer, nachhaltiger. Wann hat man denn schon seinen Kunden mehrere Stunden für sich und seine Botschaften, wenn nicht bei einem positiv besetzten Event wie einer Theateraufführung oder Oper?

Ilona Schmiel, Intendantin und Geschäftsführerin des Internationalen Beethovenfest Bonn, stellte ungewöhnliche Konzepte für klassische Musik vor. Als das Konzert des wohl größten Jugendorchesters der Welt, des Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela, geleitet von dem begabten und jungen Dirigenten Gustavo Dudamel, letztes Jahr innerhalb von 2 Stunden restlos ausverkauft war und noch weitaus mehr Nachfrage da war, beschloss man kurzerhand ein Public Viewing. Also eine öffentliche Übertragung auf einem Platz in der Innenstadt, wie es zum Beispiel von der letzten Fußballweltmeisterschhaft bekannt ist. Durch geschickte Kooperationen mit dem Hauptsponsor Deutsche Post und der Deutschen Welle konnten die Kosten für so eine Aktion massiv gesenkt werden und ein einmaliges und auch kostenloses Erlebnis für die Bonner geschaffen werden. Im neuen Jahr überlegt man sogar, dieses Public Viewing in andere Städte zu exportieren. Eine klasse Idee!

Schmiel hält die „vornehme Zurückhaltung der Feuilletons, Sponsoren-Namen zu nennen, als typisch deutsch“; es müsste doch heute allen klar sein, dass heutzutage viele Aktion gar nicht mehr ohne Sponsoring möglich wären. Die Gefahr: Erwähnt man die Sponsoren nicht, lohne sich das ausgegebene Geld nicht mehr und würde dann wegfallen. Hier ist im Grunde natürlich ein Dilemma des Sponsorings schon angesprochen. Sind Journalisten dann noch Kulturberichterstatter oder willige Gehilfen von Marketingplattformen? Leider wurde dieses Thema nicht weiter vertieft, eine unverkrampfte Diskussion wäre mehr als notwendig.

Suzanna HarfBei Suzanna Harf, die Beauftragte für Sponsoring der Salzburger Festspiele, kamen in der Vergangenheit auch schon Ansprüche von potentiellen Sponsoren auf, die Änderungen am Programm verlangten. Soweit gehen aber die Zugeständnisse an Unternehmen nicht. Sie müssen – zumindest in Salzburg – die Planungen respektieren und akzeptieren. Auch hier fehlt eine Diskussion: Wo sind die Grenzen für Sponsoren, ihre Interessen durchzusetzen oder für Veranstalter, sich verpflichtet zu fühlen, auf diese Wünsche einzugehen?

Stefanie HäberleSind also Kulturveranstalter, Kulturfans und Sponsoren im Clinch? Stefanie Häberle von einer gleichnamigen Kulturmarketingfirma warnt deutlich vor einer überufernden VIPeritis. „Maximierung der Wertschöpfung für Sponsoren um jeden Preis kann ich nicht empfehlen!“ Unternehmen wollen attraktive Gästeplattformen mit exklusivem Charakter. Sie wollen natürlich ihre Kunden im Rahmen der gesponserten Veranstaltungen hochklassig verwöhnen. Kulturveranstalter haben dadurch aber einen erhöhten Finanzierungsbedarf – neben dem zunehmenden Geldbedarf, mehr für Marketing und Kommunikation auszugeben.

Häberle rät zu einem überdachten Vorgehen. Denn geschlossenen VIP-Bereiche können sogar das Gegenteil des Beabsichtigten erreichen. Die Kulturmarketingfachfrau rät Sponsoren sich mal aus ihrem geschützten VIP-Bereich herauszubegeben und nachzusehen, wie ihr Auftreten außerhalb der eigenen VIP-Area wirkt. Denn hier kann die Stimmung umschlagen – in Neid auf eine Zweiklassengesellschaft. Werden zuviele Plätze nur noch intern vergeben, schlägt das Sponsoring schnell in Hass und Imageverlust um. Unternehmen müssen das gesamte Publikum im Auge behalten, und nicht den „normalsterblichen“ Besucher ausschließen. Wenn man sich nicht komplett öffnen möchte, ist es dann oft eine bessere Lösung, gleich einen geschlossenen Kundenevent zu gestalten. Dann kann man das Programm wirklich 100%ig auf Sponsorengäste abstimmen und kommt sich mit dem „gemeinen Besucher“ nicht in die Quere. So machte das zum Beispiel Swisslife mit einer Best-of-Kurzfilme-Tournee der von ihnen unterstützten Solothurner Filmtage durch 32 Städte. Wichtig ist das nachhaltige Sponsoring, von dem der Veranstalter wie das sponsornde Unternehmen profitiert.

Dirk FingerDirk Finger schlägt neue Wege der Präsentation von Veranstaltungen und deren Organisatoren ein: Die von ihm und mehreren anderen Journalisten und Kameramännern gegründete Firma form-art.tv bringt Kulturinstitutionen ins Netz: Mit kleinen, professionell gestalteten Videoclips, aber auch mit 3D-Applikationen fürs Internet oder viralen Marketingkonzepten für Museen, Theater oder andere Institutionen. Er möchte YouTube und andere Plattformen für Kulturveranstalter nutzbar machen, damit sie dort für sich werben können. Und somit auch für potentiellen Sponsoren attraktiver werden.

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