Ars Electronica: „The medium ist the message“ – oder etwa doch nicht?

Ars ElectronicaNach zwei Tagen Ars Electronica-Festival kommen Fragen auf. Was ist hybride Kunst eigentlich? Ist alles was irgendwie mit dem Kunstbesucher interagiert schon hybrid? Ist Kunst, weil sie elektrisch wird, dadurch schon als hybride Kunst ausgezeichnet? Ist es Bio-Kunst, wenn KĂŒchenschaben Computer steuern? Viele Fragen – und wenige aber darunter brilliante Antworten.

Was bedeutet eigentlich „hybrid“?
hybrid 1. sich selbst ĂŒberschĂ€tzend, eingebildet, vermessen 2. von zweierlei Herkunft, gemischt, zusammengesetzt 3. (biol.) durch Kreuzung entstanden.
Langenscheidts Fremdwörterbuch

Das Schweigen der KĂŒchenschaben
Cockroach controlled Mobile RobotEin faszinierender Mini-Robot (sein Name: Cockroach controlled Mobile Robot #2) wurde von dem Kanadier Garnet Hertz gebastelt. Ruckelnd zieht er schildkrötengleich seine Bahnen im Foyer des Bruckner-Hauses, in dem sich mit der Konferenz das HerzstĂŒck des Ars Electronica-Festivals befindet.
FauchschabeAuf dem RĂŒcken des Robots sitzt auf einem Pingpong-Ball eine gigantische KĂŒchenschabe, eine Madagaskar-Fauschschabe, die erschreckend lĂ€nger als ein Zeigefinger ist und mit mindestens noch einmal solangen FĂŒhlern herumwedelt. Ihre Bewegungen werden elektronisch verstĂ€rkt und steuern die Motoren. “Alle Zuschauer fragen mich das gleiche”, so der KĂŒnstler Garnet Hertz, der in Kalifornien lebt. “Alle fragen, wann ich die Schaben endlich an ein echtes Auto anschließe – aber das wĂ€re mir zu gefĂ€hrlich!”

Das Rauschen und Quietschen der Musikperformances
G-PlayerWeiter ins O.K., in dem Ausstellungen und auch die prĂ€mierten Filme des Ars-Electronica-Preises gezeigt werden. In vielen RĂ€umen befinden sich Musik-Performances. Irgendwelche geometrischen (z.B. Satellitendaten bei dem G-Player des deutschen KĂŒnstlers Jens Brand) oder grafischen Elementen (z.B. dem SonicWireSculpture des Amerikaners Amit Pitaru, bei dem man auf einem Bildschirm zeichnen kann, was wiederum in Töne ĂŒbersetzt wird) werden zu Töne – irgendwelche Töne werden in wiederum anderen Ausstellungsobjekten visualisiert (condemned_bulbes der Kanadier Alexandre Burton, Julien Roy und Jimmy Lakatos bei dem GlĂŒhbirnen flackern).
Zu laut!Im besten Falle ist das Ă€sthetisch reizvoll – meistens jedoch einfach Konzeptkunst. In wenigen Sekunden begreift man den Gag des Werkes und wandelt weiter. Wenn es mittelmĂ€ĂŸigen Reiz ausĂŒbt, spielt man ein bisschen und geht dann erst weiter. Im schlimmsten Fall ist die Aussage verwirrend oder wird einem so laut entgegengebrĂŒllt, das man fluchtartig die Veranstaltung verlassen muss. Hier kann man nur noch die Hybris der LautstĂ€rke erkennen


Ich und das andere
Melanie PuffEin Lichtblick war am zweiten Tag sicherlich die Konferenz – und erhellte tatsĂ€chlich den Sinn der Auseinandersetzung mit Hybris. Melanie Puff verdeutlichte in ihrem Vortrag den Sinn der Hybridkultur: sie „verschiebt den Begriff der Grenze von einem Entweder-Oder zu einem Sowohl-Als-Auch. Dies bedeutet das Ende der Dichotomien, die maßgeblich die Moderne und ihr Konzept von IdentitĂ€t, Körperlichkeit, Zeit und Raum bestimmt haben.“ FĂŒr Puff bedeutet „HybriditĂ€t eine ZusammenfĂŒhrung heterogener Elemente in einem Organismus, unter Beibehaltung der Trennung zwischen den einzelnen Komponenten“. Die Begriffe “Ich” und “das Andere” fließen ineinander – und sogar das nicht-integrierbare wird ein Teil meiner selbst.

Oder doch alles ganz anders?
Jens HauserBrilliant: Jens Hauser. Am Beispiel von http://www.dna11.com, einem Service, bei dem man seine eigenen Gen-Sequenzen als Ölbild bestellen kann, verdeutlicht Hauser die Frage, was eigentlich Bio-Kunst sei. Nur das Abmalen von Computern und Devices, wie Joysticks etc. durch den KĂŒnstler Miltos Manetas entsteht ja keine Computerkunst, oder? Sind Claude Manets Seerosen-Bilder Seerosen-Kunst oder seine Kathedralen Kathedralen-Kunst, nur weil er seine Bilder das abbilden? Und um wieder zu der Biokunst zurĂŒckzukommen: Sind Computeralgorithmen, die biologische Prozesse abbilden, Bio-Kunst? Hauser: “Sicherlich kaum, wenn es a priori darum geht, mit jenen Programmen Ă€sthetisierende, pseudo-wissenschaftlich sinngebende Illustration zu betreiben und via Informatik die MĂ€r vom Kunstwerk als lebendigem Organismus wieder aufkeimen zu lassen.” Nach Hauser ist die Frage, was Bio-Kunst sei, nicht durch die visuelle Analogie der PhĂ€notypen dieser Werke erklĂ€ren – sondern durch deren konzeptuelle Genotypen. Wichtiger werden die transformatorischen Prozesse (u.a. mit Performance-Charakter) – die Manipulation von Lebensmechanismen als Langzeitprojekt. (siehe hierzu auch hierzu die transgenetischen Werke von Eduardo Kac).

Siehe auch meinen ersten Artikel ĂŒber die Ars 2005.

  1. Pingback: e-Thieme » Blog Archive » Ars electronica 2008: A NEW CULTURAL ECONOMY - Wenn Eigentum an seine Grenzen stĂ¶ĂŸt

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